Filmstadt Flensburg

Datum: 

Montag, 2. November 2009

Flensburg Journal

Flensburg und die Region sind nicht zum ersten Mal „Location“ für Fernseh- und Kinofilme. Jetzt wird auch hinter Kamera und Kulisse am Fundament für Flensburg als Filmstadt gearbeitet, Lösungen für die Fernseh- und Kinowelt entwickelt, dort, wo man es am wenigsten vermutet, an der FH-Flensburg.

Haus A auf dem Campus entwickelt sich unter der Führung von Prof. Hoefs zunehmend zu einem Flensburger „Babelsberg“. Das ist keineswegs übertrieben, denn für den weltweit bekannten Studiobetrieb bei Berlin arbeitet der Medieninformatiker und seine Mitarbeiter an Trickszenen für einen abendfüllenden Spielfilm.

Film war schon seit Anbeginn eine „virtuelle’ Welt. Wir sehen auf der Leinwand nicht das, was wirklich ist, sondern das, was wir zu sehen glauben. Das beginnt schon beim Filmbild selbst mit seinen 24 Einzelbildern in der Sekunde, die uns Bewegung vortäuschen. Kulissen ersetzen ganze Stadtteile und hinter dem Actiondarsteller explodiert kein Tankwagen, sondern steht eine simple blaue oder grüne Wand (Bluebox), an deren Stelle der Hintergrund am Schneidetisch, heute am Computer eingefügt wird.

Dies alles gibt es nicht erst seit Computer die Filmstudios beherrschen. Schon Walt Disneys „Cinderella’, aufgelöst in zehntausende von Einzelzeichnungen, bewegt sich nach dem Vorbild einer mit der Kamera aufgenommen Tänzerin, deren Bewegungen Bild für Bild in Grafik umgesetzt wurde. In den „Studios’ der Fachhochschule auf dem Campus-Hügel werfen wir einen Blick in die Zauberwelt der Film- und Fernsehtricktechnik. Noch ist das Flensburger „Hollywood“ im Aufbau. Das provisorische „Screenstudio“ zieht bis Mitte des Jahres in eine große Halle, um auch umfassende Aktionen vor der grünen Wand in Szene setzen zu können. Das „Mocab“ ist noch in Kisten und Schränken verpackt und wartet auf die Verwirklichung virtueller Szenen.

Auf diese Technik sind Prof. Klaus Hoefs und sein Kollege Prof. Dr. Knut Hartmann besonders stolz. Mit Hilfe von Darstellern, an den optische Markierungen angebracht sind, zeichnen dutzende von Kameras die Bewegungen dreidimensional auf und übertragen sie auf eine Computeranimation, eine „gezeichnete“ Figur, die den Bewegungen der Akteure präzise folgt. Das, was Disney mit hunderten von Zeichnern mühsam über Monate realisierte, geschieht in dem „Mocab“ Studio in Echtzeit.

Prof. Hoefs, nicht zuletzt durch die Ausrichtung der Flensburger Kurzfilmtage bekannt geworden, sieht die Zukunft seiner Projekte nicht nur in der Entwicklung neuer Filmtechniken, sondern vor allem in der Ausbildung von Fachleuten. Sie haben, das zeigt sich schon heute an den Absolventen des bisherigen Studienganges, eine vielversprechende Zukunft als „Special Effekt“ Spezialisten. „Der Markt in Deutschland ist leergefegt“, sagt Prof. Hartmann. „Die Nachfrage nach Spezialisten ist groß. Viele Firmen müssen zur Zeit noch auf England ausweichen.“

Das kann sich in wenigen Jahren mit dem Medieninformatik Studiengang der FH ändern. Die Verbindung von Ingenieurswissen und Kreativität ist das Alleinstellungsmerkmal des Flensburger Projektes. Die Studenten lernen von den Grundlagen der Film- und Fernsehtechnik bis hin zur kreativen Gestaltung die virtuelle Welt des Films kennen. Kleinere Produktionen haben schon in der Vergangenheit Anerkennung gefunden und Preise geholt.

Flensburg wird, so ist zu hoffen, schon in wenigen Jahren ein bundesweiter, wenn nicht europaweiter, Standort für die moderne Filmgestaltung werden. Die Flensburger Professoren arbeiten bei der Entwicklung ihrer Lösungen eng mit der Industrie zusammen, hoffen auch auf deren Unterstützung. Rund achtzig Studenten kann das Institut pro Semester aufnehmen, um sie dann nach sieben Semestern mit dem Abschluss des „Bachelor of Science“ zu entlassen.

Nach Einschätzung der Flensburger Professoren wartet die Film- und Fernsehindustrie schon sehnsüchtig auf hochqualifizierten Nachwuchs. Gerade Werbefilmproduzenten sind zunehmend auf solche Trickspezialisten angewiesen, nicht zuletzt um Kosten für aufwendige Produkten an spektakulären Orten zu sparen. Das neue Automodell, das vor afrikanischer Kulisse an einer Dünenwand zum Stehen kommt, hat Afrika mit Sicherheit nie gesehen. Es ist über eine Halle und den Platz vor einer blauen oder grünen Wand nie hinausgekommen.

Aber wie gesagt: Wir sehen, was wir zu sehen glauben und genießen es, ob bei „Krieg der Sterne“, „Day after tomorrow“ oder „Avatar“. Illusionen werden in Zukunft nicht nur in Holly- oder Bollywood entstehen, sondern ebenso auf dem Campus der Fachhochschule in Flensburg.

Autor: 

Dieter Wilhelmy